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Auf dem Weg ins digitale Zeitalter müssen Schulen viele Hürden überwinden. Eine davon ist das Medienkonzept. Oft kann es jedoch helfen sich anzusehen welche Lösung Andere für ein ähnliches Problem bereits entwickelt haben. Dazu haben wir uns mit Michael Niehaus, dem stellvertretenden Schulleitungsmitglied der Stemweder-Berg-Schule, unterhalten. 2020 wurde ihr der Hauptpreis von 30.000 € für ihr innovatives Medienkonzept von der Dieter Schwarz Stiftung überreicht. Gewürdigt werden Schulen, die ein Konzept zum Einsatz digitaler Medien im Unterrichtskontext einreichen und in herausragender Weise erfüllen. Im Mittelpunkt der Konzepte soll die Förderung der Schüler*innen als aktive und kritische Teilnehmer*innen einer digitalen Mediengesellschaft stehen. Wie die Stemweder-Berg-Schule das geschafft hat, finden Sie im folgenden Interview heraus ;-)

Ihre Schule wurde ja dieses Jahr von der Dieter-Schwarz-Stiftung für das erstellte Medienkonzept ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch! Ich kann mir gut vorstellen, dass das ein sehr anspruchsvoller Prozess war. Wie war das für Sie?

 Michael Niehaus: Vielen Dank. Wir haben die Ausschreibung sehr kurzfristig gesehen und hatten alle Utensilien schon herumstehen, welche wir für den Anmeldeprozess gebraucht haben. Also haben wir in letzter Minute alles zusammengeschustert, in eine Datei gepackt und an die Stiftung gesendet… Und dann haben sie uns mitgeteilt, dass wir unter den besten Zehn sind. „Oh Mist, jetzt müssen wir da ja wirklich hinfahren“. lacht.

Zwei Kollegen und ich haben dann bei einem gemütlichen Abendessen in den Weihnachtsferien einen Pitch vorbereitet. Die Präsentation verlief dann auch richtig gut und ich glaube, das Wichtige bei unserem Pitch war, dass es beim Medienkonzept vor allem darum ging, wofür es genutzt werden soll.

Wir merken, dass viele Schulen, und das ist vollkommen legitim, sich aktuell sehr mit der Beschaffung von Endgeräten aufhalten. Bei uns ist die Technik schon soweit integriert, dass wir ganz viele Geräte an der Schule haben und ständig neue Ideen entwickeln, wie diese im Unterricht eingesetzt werden können.

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Welche Beweggründe haben dazu geführt, dass das Kollegium und Sie sich als Schule digitalisieren wollten?

Michael Niehaus: Die Stemweder-Berg-Schule ist an einem Schulstandort, der sehr ländlich ist, und die Gemeindeentwicklung hat vorausgesagt, dass wir als Schule aufgrund der niedrigen Geburtenrate wahrscheinlich nicht mehr weiter existieren können. Wir haben dann einen neuen Bürgermeister bekommen und das Kollegium hat realisiert, dass was verändert werden muss – vor allem nämlich digitaler werden. Dem neugewählten Bürgermeister war es sowohl ein Anliegen, dass neue Familien nach Stemwede ziehen als auch die Digitalisierung der Schule zu unterstützen. Somit haben wir dann eine Abstimmung durchgeführt, ob wir alle Schüler*innen mit Tablets ausstatten möchten. Alle Schüler*innen und Lehrer*innen haben dafür gestimmt. Sogar die über sechzig Jährigen Lehrkräfte waren motiviert. Einzige Voraussetzung war, dass sie nicht als erste Gruppe mit den Endgeräten ausgestattet werden. Also haben wir  bei den jüngsten Kollegen angefangen.

In Ihrem Medienkonzept ist enthalten, dass jeder Schüler ab der 7. Schulstufe ein iPad erhält – wie wird damit unterrichtet?

Michael Niehaus: Wir haben erkannt, dass es viele Vorteile hat, wenn Schüler*innen mit einem Tablet ausgestattet werden. Also haben wir den Markt sondiert und entschieden, dass für uns in der Fernverwaltung und in der Administration iPads die Geräte sind, die wir am besten bespielen können. Natürlich gab es dann auch Diskussionen mit Eltern. Es ist wichtig sich unterschiedliche Meinungen anzuhören. Das gehört dazu. Nachdem wir uns entschieden haben die Schule mit iPad auszustatten, haben wir uns über die Finanzierungsformen informiert, z.B. ein Leasing. Die Überlegung war, dass bei Familien mit einem geringeren Budget, die Gemeinde die Finanzierung übernimmt. Der Bürgermeister hat unsere Initiative sofort unterstützt. Die Beschaffung der iPads wurde aber schließlich von der Gemeinde gekauft und bezahlt. Eltern zahlen derzeit einen Beitrag von 60 Euro pro Jahr für die Versicherung. Dazu kommen dann noch 5 Euro für verschiedene Apps, die wir einkaufen müssen. Wenn ein iPad dann 4 Jahre lang genutzt wurde, also von der 7. bis zur 10. Klasse, nehmen wir die Tablets aus unserer Schulverwaltung heraus und die Schüler*innen können sie dann im Anschluss behalten und selbst benutzen. Da ist die Gemeinde sehr kulant. Nach 4 Jahren können wir die Geräte nämlich kein weiteres Mal in den Lifecycle integrieren, aufgrund der Sicherheit, der iOS Updates und weil die Gewährleistung meistens nach 4 Jahren verfällt. Die Schüler*innen dürfen die iPads auch immer mit nach Hause nehmen. Die einzige Anforderung, die wir an sie haben: sie müssen sich für 30 Euro noch eine bestimmte Hülle kaufen. Diese sieht ein bisschen aus wie ein Autoreifen. lacht

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Wie wird der Aspekt Datenschutz geregelt?

Michael Niehaus: Aktuell verwenden wir Jamf School. Das hat sich auch in der Praxis bewährt. Mit dem Mobile Device Management können verschiedene Benutzergruppen angelegt werden und Apps bestimmten Nutzergruppen zugeteilt werden. Lehrer*innen und Schüler*innen gehören  nämlich zu unterschiedlichen Benutzergruppen. Wir haben auch eine Online-Schülerzeitung, für die wir Videos drehen und Online stellen. In der Gerätegruppe „Schülerzeitung“ sind dann nochmal bestimmte Videoschnittapps verfügbar, die andere Schüler nicht haben.

 Wie war die Zusammenarbeit mit dem Schulträger und anderen Schulen? 

 Michael Niehaus: Die „nur“ 13.000 Einwohner haben dazu geführt, dass uns die Gemeinde zu 100 Prozent unterstützt hat. Da wir nämlich die einzig weiterführende Schule hier in der Kommune sind, haben wir das Medienkonzept alleine geschrieben. Was wir jedoch in Zusammenarbeit mit der Gemeinde geschrieben haben, ist der Medienentwicklungsplan. Dabei legen Gemeinde und Schule beispielsweise  fest, in welche Richtung sich der Plan entwickeln oder wie die Schulen technisch ausgestattet werden sollen. Dieser Prozess lief mit der Gemeinde gut und harmonisch ab.

Wie gewährleisten Sie die Fortbildung des Lehrpersonals?

Michael Niehaus: Rund alle 2 Monate laden wir ein neues Medienbildungskonzept hoch. Wir sind da flexibel. Es kann zum Beispiel sein, dass wir in 2 bis 3 Monaten eine neue Idee haben und dann wird das Konzept einfach aktualisiert.

Was waren für Sie entscheidende Faktoren bei der Technikauswahl?

Michael Niehaus: Zuallererst haben wir uns Folgendes überlegt: Wollen wir Tablets oder Laptops? Da wir eine Sekundarschule sind (Schüler von der 5. – 10. Klasse), steht hier die Textproduktion noch nicht so sehr im Mittelpunkt. Würde sie das tun, dann würde ich vermutlich einen Laptop favorisieren. Wir haben uns aber gegen Laptops entschieden. Darüber hinaus  nimmt ein Laptop relativ viel Platz auf dem Tisch ein. Wir wollten Technik immer eher als eine Art Ergänzung sehen. Auf einem typischen Tischsetting eines Schülers hat ein Heft, Buch, eine Federmappe und ein iPad gut Platz. Mit einem Laptop wäre das nicht der Fall gewesen. Es ist uns wichtig, dass Schüler*innen auch ihre Fähigkeit Dinge selbst zu schreiben, üben. Oft ist es so, dass sie das iPad gar nicht brauchen. Ich bin zum Beispiel Mathe-Lehrer und manchmal brauchen die Schüler*innen keine digitale Unterstützung. Manchmal ist es aber auch super, wenn sie sich noch ein Erklärvideo ansehen können, oder im besten Falle selbst eines erstellen, weil sie etwas nicht ganz verstanden haben.

Ein weiterer Punkt, warum wir auf alle Fälle iPads nutzen wollten, war Folgender: Stellen wir uns vor wir haben jetzt 450 Laptops in der Schule in Verwendung. Wenn ich 450 Laptops in der Früh hochfahre und alle Nutzer*innen führen ein Update durch, dann würde das sogar bei einem 500 MBit Netz eng werden. Da können wir die erste Stunde schon vergessen.

Für iPads ausschlaggebend war zudem, dass das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Des Weiteren war es uns sehr wichtig, dass das MDM-System gut funktioniert. Da waren nun mal die Apple Device Management Systeme deutlich besser im Vergleich zu den anderen Programmen, die wir uns angesehen haben. Wir haben uns außerdem gegen interaktive Smartboards entschieden. An einem Smartboard hängt nämlich oft ein Computer, was den Unterricht sehr lehrerzentriert macht. So haben wir in jedem Klassenraum einfach eine weiße Fläche, einen Beamer und einen Apple TV. Mit dieser Ausstattung kann sich jede(r) Schüler*innen innerhalb von zwei Klicks vorne einloggen und seine Arbeitsergebnisse präsentieren. Außerdem zahlen wir so nur 1/10 des Preises. Ein interaktives Board kostet um die 10.000 Euro und die durchschnittliche Lebenszeit der Hersteller wird mit 5 bis 6 Jahren angegeben. Rechnet man das auf eine Schule mit 40 Räumen hoch, kommt man schnell auf Investitionen von rund 400.000 Euro und das alle 5 bis 6 Jahre. Die Beamer haben sich aber auch nicht als ganz so tauglich erwiesen, weil man immer vom Einstrahlungslicht abhängig ist. Auch Kreidestaub und Tonausgabe sind bekannte Probleme bei Beamern. Wir gehen jetzt in die Richtung, dass wir große Displays kaufen. Einmal die Woche setzen wir uns auch alle zusammen und überlegen uns, was müssen wir verändern, was funktioniert und was nicht.

Sie haben ja über eine alternative Finanzierungsoption, ein Leasing nachgedacht. Warum?

 Michael Niehaus: Ja eine alternative Finanzierungsoption wie Leasing war auch eine Option gewesen. Uns war es vor allem wichtig, einheitliche Geräte für JEDEN verfügbar zu machen. Aber dann hat ja die Gemeinde alle Kosten übernommen. 

Wie hat an Ihrer Schule ortsunabhängiges Lernen in der Corona-Krise funktioniert?

 Michael Niehaus: Da muss ich das ganze Kollegium loben. Wir versuchen immer einen Schritt voraus zu sein und als die Gerüchte begonnen haben, dass es zu einem Lockdown kommen könnte, haben wir uns morgens hingesetzt und überlegt: „Wenn es jetzt zu einem Lockdown kommt, wie wollen wir dann agieren?“ Es wurde anschließend Klassenlehrerunterricht angeordnet, im Zuge dessen die Lehrer*innen die Schüler*innen informiert haben, was im Falle eines Lockdowns passiert. Am Montag ging dann einfach alles online weiter. Wir waren so gut wie möglich darauf vorbereitet.

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Wir nutzen die Verwaltungsplattform IServ. Jeder Nutzer bekommt eine E-Mail Adresse, einen Cloud Speicher; man hat einen gemeinsamen Kalender, Stundenplan und diese Plattform bietet auch einen Messenger, der sich auf den Matrix-Standard beruft. Ergänzend dachten wir uns, dass es schön wäre, eine Videokonferenz zu haben. Leider sind Zoom und Microsoft Teams nicht DSGVO konform. Also haben wir in der ersten Woche des Lockdowns einen Server angemietet sowie einen Videoserver eingerichtet. Jeden Morgen zur Begrüßung gab es eine Videokonferenz mit den Klassenlehrern und der Klasse. Danach ging es in den „normalen“ Stundenplan über und es wurde in Blöcken unterrichtet. Bei den Videokonferenzen waren immer 1 bis 2 Schüler*innen dabei, die die Kamera ausgeschaltet hatten. Aber das ist ok. Wie viel sie mitbekommen, weiß man zwar nicht, aber das Problem hat man im normalen Unterricht auch. Das ist ok. Insgesamt lief der Fernunterricht entspannt. Es tat dann aber wieder gut, vor der Klasse zu stehen und in die Gesichter der Schüler*innen zu sehen.

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Schulleitung der Stemweder-Berg-Schule, v.l.n.r.: Jochen Brennecke, Sabine Ebert-Prasuhn (im Ruhestand), Ulrich Nimbs, Heike Hachmann und Michael Niehaus

fonlos: Wenn Sie 3 wichtige Tipps einer anderen Schule geben würde, welche wären das?

Michael Niehaus: Vor 4 Jahren haben wir Geräte angeschafft und uns dann gedacht “Jetzt geht es los”. In diesem Moment haben wir aber gemerkt, dass neben der Anstrengung die Technik zu beschaffen, es fast noch anstrengender ist, gleichzeitig die Kollegen fortzubilden und auch zu überlegen: “Wie binde ich diese Endgeräte jetzt nachhaltig in meinen Unterricht ein? Wie muss ich meine Kollegen fortbilden, damit sie fit mit dem Gerät werden? Wo kann ich jetzt welche Geräte und auf welche Art und Weise in meine Unterrichtseinheit einsetzen?”

Das ist eigentlich die große Kunst und das hört auch nicht auf. In den Mittagspausen machen wir zum Beispiel freiwillige “Digitalhappen”. Hier bieten wir 10 bis 15-minütige Fortbildungen im Lehrerzimmer an und zeigen einander was wir im Unterricht so gemacht haben – also was sich bewährt hat und was nicht.

Ein Manko ist jedoch, dass die Nutzung des Lernmanagementsysteme eher suboptimal funktioniert. Wenn wir unseren Unterricht auf den Tablets planen, wäre es schön, wenn wir als Lehrpersonal nur auf einen Knopf drücken müssten und die Schüler*innen könnten auf einen Blick sehen was sie zu tun haben. Das Schlachtwort lautet ja: individuelle Förderung. Sprich, dass ich als Lehrer*in in der Lage bin Unterrichtsmaterial so aufzubereiten, dass alle Schüler*innen in ihrem Tempo daran arbeiten können – ohne langwierige Erklärungen. Aktuell ist es jedoch so, dass die Plattform Logineo (Moodle), welche auch von Studierenden genutzt wird, für den Unterricht verwendet wird. Gerade für leistungsschwächere Schüler*innen ist so eine Plattform jedoch nicht greifbar. Das verlangt nach einer alternativen Lösung. Vor allem eine, welche einfach zu bedienen ist, sowohl für Schüler*innen als auch Lehrer*innen. Deswegen haben einige Freunde und ich uns entschlossen ein eigenes Lernmanagementsystem zu entwickeln. Vom User Interface sollte ein LMS-System so selbsterklärend sein wie Netflix. Das kann ja auch jeder bedienen.

Die Grundidee ist: Bildung muss für alle zugänglich sein.

Quelle Bilder: Stemweder-Berg-Schule

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